Santiago kommt im Sommer einem Backofen gleich. Zwischen hoch aufragenden Gebirgsketten gelegen, fehlt der Metropole die dringend notwendige Kühlung. Jeglicher Luftaustausch ist unterbunden. Vom Balkon unseres Appartements aus blicken wir in Richtung Aconcagua (6961 Meter).
Seit Wochen befinden sich das gesamte Land und im Besonderen die Haupstadt wegen der sozialen Unruhen im Ausnahmezustand. Die Glasscheiben der Geschäfte sind mit Blech oder Spannplatten zugenagelt, lediglich mannshohe, schmale Eingangsschlitze werden freigelassen, um den Verkauf am Laufen zu halten und dennoch sofort abriegeln zu können, sobald die Aufstände wieder losgehen. Da und dort sehen wir zerschmolzene Mistkübel, heruntergerissene Stromleitungen, zerschlagene oder abgefackelte Ampelanlagen, etliche U-Bahnstationen sind aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Atemschutz nur für den Fall der Fälle (die Polizei verwendet Tränengas, um die Demonstrationen aufzulösen).
Vorerst ist alles friedlich. Wir spazieren den Paseo Ahumada entlang, lassen uns vom Geschiebe der Menschen tragen und umklammern etwas verunsichert unsere Fotoapparate. Die Plaza de Armas ist ein weiter, viereckiger Platz mit prächtigen Blauglockenbäumen, herrschaftlichen Häusern aus der Gründerzeit, einem Standbild des Stadtgründers Pedro de Valdivia, sowie eines indianischen Hauptes, das eine Allegorie auf die indigenen Völker Chiles darstellen soll.
Streetart in Bellavista
Am Nachmittag geraten wir in den Sog von Demonstranten, die sich in Richtung Plaza Baquedano bewegen. Brennende Straßenbarrikaden und beißender Rauch in der Luft versperren uns den Weg. Fasziniert werden wir Zeugen eines politischen Umbruchs und können nicht anders, als das wüste Treiben um uns fotografisch festzuhalten.
Die mehrheitlich jungen Demonstranten verhalten sich uns gegenüber erstaunlich friedlich, in der Stadt aber legen sie eine Spur der Verwüstung. Denkmäler im Regierungs- und Bankenviertel der Innenstadt erregen den Zorn der Masse, werden gestürmt und wüst beschmiert. Schlussendlich sind wir erleichtert, die bedrohliche Szenerie hinter uns zu lassen. Während wir in sichere Gassen abbiegen, vernehmen wir das vielstimmige Dröhnen von Polizeisirenen hinter uns.
Das Museo de la Memoria y los Derechos Humanos dokumentiert auf eindrucksvolle Weise die Menschenrechtsverletzungen während Pinochets Gewaltherrschaft. In einer Halle, die sich, nach oben offen, über drei Stockwerke erstreckt, zeigt eine Installation hunderte von Fotografien der Opfer der Diktatur.
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