Mittwoch, 11. Dezember 2019

In der Chilenischen Schweiz


Der Volcán Villarica ist ein Stratovulkan, dessen Höhe, von seiner Basis gerechnet, 2450 Meter beträgt. Die absolute Seehöhe des Gipfels liegt bei 2847 Metern. Er ist im Jahresdurchschnitt von einer 40 Quadratkilometer großen Schneekappe bedeckt.


Wenngleich die Tour auf den mächtigen Eiskegel wohl eine der kommerziellsten Bergbesteigung Chiles ist, lohnt sich der Aufstieg auf jeden Fall. Es gibt weltweit nicht viele Vulkane, in denen in regelmäßigen Abständen die Lava bis 50 Meter unter den Kraterrand hochkocht. Als wir am Morgen um 7 Uhr die Straße zur Talstation eines Schigebietes hochfahren, ist der Himmel noch bedeckt. Glücklicherweise ermöglicht der starke Wind gerade noch den Einsatz des veralteten Liftes. So ersparen wir uns den Fußmarsch über die ersten 400 Höhenmeter und vertrauen uns dem wild schaukelnden Sessel ohne Sicherungsbügel an. Wie wir bald feststellen werden, ist an unserer Tagestour nichts bequem. Völlig durchgefroren am Beginn unseres Aufstiegs angekommen, erhalten wir unsere Pickel und Steigeisen, sowie eine Einführung in den Gebrauch dieser Gerätschaften. Unverzüglich geht es los.


Landschaftlich werden wir mit Blicken auf den Lago Villarrica und zu den Vulkanen Llaima und Sollipulli belohnt. Bald  wird das Gelände steiler und der Weg im eisigen Schnee anspruchsvoll. Alle Konzentration richtet sich auf die Fußstapfen des Vordermannes, ein Augenblick der Unachtsamkeit kann im abschüssigen, vereisten Schnee schlimme Folgen haben. Die Fotos, die wir mit durchgefrorenen Fingern knipsen, sind aus der Hüfte geschossen. Der Vulkan zeigt sich uns zur Hälfte gewogen. Wenngleich sich das Magma zu weit in den Schlot zurückgezogen hat, um uns einen Blick auf das feurige Herz des Berges zu gewähren, haben wir wenigstens freie Sicht in den dampfenden Kessel und mäßige Gasentwicklung, sodass wir unsere Gasmasken nicht aufsetzen müssen.




Abwärts geht es, wie versprochen, mit einem Rutschschlitten – ein Spaß, der spaßiger klingt, als er ist. Unsere Gruppe, bestehend aus zehn Teilnehmern, begibt sich nämlich in einer Rinne, gerade einmal so breit wie wir selbst, auf eine wahre Höllenfahrt ins Tal. Unsere einzige Bremse ist der Pickel, den wir mit allen uns zu Verfügung stehenden Kräften, in den Schnee rammen müssen, wollen wir dem Vordermann nicht ins Hinterteil krachen. Kreuz, Wirbelsäule und Nacken dienen als Stoßdämpfer.


Glücklicherweise erholen sich unsere alten Knochen über Nacht, denn heute erwartet uns ein herrlicher Sommertag. So ist unsere Gewalttour auf den Eisvulkan „Schnee von gestern“ und wir machen uns frohen Mutes auf in die Región Siete Lagos, die als die ruhigste im Seengebiet gilt. Die Straße zum Lago Calafquen führt uns durch Frühlingswiesen und Wälder mit mächtigen Bäumen, vorbei an Blockhütten, von denen viele als Cabañas vermietet werden - eine Idylle, wie man sie auch im Salzkammergut vorfinden könnte, wären da nicht die Schneekegel der Vulkane Villaricca, Choshuenco, Lanin und Quetrupillan. Das Gebiet der Sieben Seen fühlt sich wie eine Allegorie aus Feuer und Wasser an.



Die Termas Geométricas sind eine spektakuläre Symbiose aus Landschaftsarchitektur und natürlicher Umgebung. Der bekannte chilenische Architekt Germán del Sol bettete seine Anlage zwischen steile Bergwände und Felsnischen, verband 20 Becken mit Laufstegen und schuf auf diese Weise eine Oase des Wohbefindens. Unter den mächtigen, grünen Schirmen des Riesenrhabarbers Nalca gluckert der Bach, von den Hängen rieseln kleine Wasserfälle, die als natürliche Duschen dienen. Allerdings ist der Temperaturunterschied zwischen den bis zu 46 Grad heißen Badebecken und dem eiskalten Schneewasser nur etwas für äußerst abgebrühte Warmbader und Kaltduscher.




Das Feuer der Vulkane, die Falken, Ibisse und Kiebitze der Lüfte und die ungebändigte Macht des Wassers – Chiles urwüchsige Kraft macht demütig! Im Licht der Sonne bäumt sich im Salto Huilo Huilo der Rio Fuy gegen die Schwerkraft auf und schäumt  in die Höhe. Zu Nebel zerstäubt, bricht er das Sonnenlicht in Strahlenbahnen, die aussehen, als wären sie mit feinen Duschestiften gezeichnet. Wer genau zuhört, kann im Donnern des Wassers ein jubelndes „Huilo Huilo“ vernehmen. Wenige Meter weiter verwandelt sich der stürzende Fluss wieder in ein grünes Band aus Smaragdbecken.



Die schönsten Wasserfälle des Seenlandes sind wohl die Saltos del Petrohué im Parque Nacional Pérez Rosales. Ursprünglich waren der Lago Llanquique und Lago Todos los Santos miteinander verbunden. Eine Eruption des Osorno trieb einen Lavastrom als Keil zwischen die Seen. Weil die Lava unter dem Eisschild des Vulkans abfloss, verlor sie an Geschwindigkeit und lagerte sich besonders mächtig ab. Dieses schwarze Basaltfeld bildet heute das Bett des Rio Petrohué.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen